Der BGH hat nunmehr entschieden, dass der in § 12 I Nr. 1 i.V.m. § 12 III AVB-Anwalt festgelegte Leistungsausschluss auch für Scheinsozien einer Bedingungskontrolle stand hält.
Gegenstand der Entscheidung waren die vertraglich vereinbarten AVB-A Klauseln:
§ 12 Sozien
1. Als Sozien gelten Berufsangehörige, die ihren Beruf nach außen hin gemeinschaftlich ausüben, ohne Rücksicht darauf, ob sie durch Gesellschaftsvertrag oder einen anderen Vertrag verbunden sind.…
3. Ein Ausschlussgrund nach § 4, der in der Person eines Sozius vorliegt, geht zu Lasten aller Sozien.
§ 4 Ausschlüsse
Der Versicherungsschutz bezieht sich nicht auf Haftpflichtansprüche…
3. wegen Schäden durch Veruntreuung durch Personal, Sozien oder Angehörige des Versicherungsnehmers;
Das OLG München hatte in der Berufungsinstanz mit Urteil vom 23.02.2010, Az. 25 U 5119/09, (AnwBl 2010, 448) die Anwendung eines Deckungsausschluss auch für Scheinsozien gemäß § 12 I Nr. 1 i.V.m. § 12 III AVB-A für unwirksam erklärt. Bereits mit Urteil vom 8. 8. 2008, Az. 25 U 5188/07, (VersR 2009,59) und Beschluss vom 26.08.2009 – 25 U 3207/09 hat das OLG München diese Rechtsansicht vertreten.
Die Rechtsprechung hatte bis dahin die Sozienklausel gebilligt. Wobei die Einbeziehung von Scheinsozien noch nicht problematisiert wurde (BGH, Urt. v. 05.03.1986 – IVa ZR 179/84 – VersR 1986, 647; BGH, Urt. v. 09.11.1988 – IVa ZR 150/87 – RuS 1989, 45; OLG Hamm, Urt. v. 22.09.1995 – 20 U 38/95 – VersR 1996, 1006.)
Die Literatur hatte ebenfalls vereinzelt Zweifel an der Wirksamkeit der Sozienklausel geäußert (vgl. von Brieske, AnwBl 1995, 225, 230 Fn. 51; von Rintelen in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 2. Aufl., § 26 Rn. 296, Diller Kommentar zu AVB-RSW, § 1, Rn.124).
Der BGH hat nunmehr für Klarstellung gesorgt und die Klausel für wirksam erachtet.
1. keine überraschende Klausel (§ 305 c Abs. 1 BGB)
Es handelt sich nach Ansicht des BGH bei § 12 I Nr. 1 AVB-A nicht um eine überraschende Klausel (§ 305c Abs. 1 BGB), denn von einem Rechtsanwalt ist zu erwarten, dass er die Ausschlusstatbestände des § 4 AVB-A zur Kenntnis nimmt und sodann den nachfolgenden Klauseln hinreichende Beachtung schenkt. Das gilt auch für die ausdrücklich mit „Sozien“ überschriebene Klausel in § 12 AVB-A. Nach Ansicht des BGH besteht für einen Scheinsozius sogar besondere Veranlassung, auch die „Sozien“ betreffenden Reglungen aufmerksam daraufhin durchzusehen, ob und in welchem Umfang sie für ihn Geltung haben sollen.
2. kein Verstoß gegen das gesetzliche Leitbild (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB)
Die Klauseln weichen nicht vom gesetzlichen Leitbild des § 152 VVG a.F. ab, denn mit § 51 Abs. 3 Nr. 5 BRAO hat der Gesetzgeber es ausdrücklich gestattet, dass der Berufshaftpflichtversicherer für Rechtsanwälte die Eintrittspflicht für Ersatzansprüche wegen Veruntreuung durch Personal, Angehörige oder Sozien ausschließt.
Diese Ausnahme vom Versicherungsschutz in der Pflichtversicherung des Rechtsanwaltes soll das Risiko für den Versicherer kalkulierbar halten. Der Versicherer soll nicht für Schäden aus vorsätzlichen Straftaten Deckung gewähren müssen, die in einer Sozietät begangen werden, was aber der Fall wäre, wenn er für einen mithaftenden Sozius eintreten müsste.
Vor diesem Hintergrund ist eine Gleichstellung der Scheinsozien mit den Sozien nicht zu beanstanden, auch wenn sie vom Wortlaut des § 51 Abs. 3 Nr. 5 BRAO unmittelbar nicht erfasst werden. Das vom Gesetzgeber als schützenswert anerkannte Interesse besteht überall dort, wo das Fehlverhalten eines Anwalts die Schadensersatzpflicht eines zweiten Anwalts nach sich zieht. Das trifft auch auf den angestellten Rechtsanwalt zu, der nach außen wie ein Sozius ausgewiesen wird und wie ein solcher auftritt.
Der angestellte Anwalt gilt haftungsrechtlich als Sozius (vgl. BGH, Urteil vom 3. Mai 2007 -IX ZR 218/05). Diese Gleichstellung von Sozius und Scheinsozius schützt den Mandanten, der in der Regel nicht ohne weiteres erkennen kann, ob ein Anwalt die Stellung eines Sozius oder Scheinsozius innehat. Die Haftung des Scheinsozius beruht auf dem Rechtsschein, den er gesetzt hat und der ihm zugerechnet wird. Von daher ist es sodann folgerichtig, dass auch für den Scheinsozius der vom Gesetzgeber zugelassene Ausschluss gemäß § 51 Abs. 3 Nr. 5 BRAO für Veruntreuungen durch Sozien eingreift.
3. keine Gefährdung des Vertragszwecks (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB)
Die Ausschlussklausel gefährdet auch nicht den Vertragszweck (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Das OLG München hatte argumentiert, dass der Vertragszweck, Deckungsschutz gemäß des durch § 51 BRAO vorgeschriebenen Umfangs für die Pflichtversicherung für Rechtsanwälte zu erhalten, gefährdet sei. Die Verpflichtung gemäß § 51 BRAO, eine Berufshaftpflichtversicherung zur Deckung der sich aus der anwaltlichen Berufstätigkeit ergebenden Haftpflichtgefahren für Vermögensschäden abzuschließen und während der Dauer der Zulassung lückenlos aufrechtzuerhalten, dient jedoch vorrangig dem Schutz des rechtsuchenden Publikums und nicht dem Schutz des Rechtsanwalts. Aus der haftungsrechtlichen Perspektive des Mandanten ist der Scheinsozius als haftender Sozius anzusehen, für welchen gemäß § 51 Abs. 3 Nr. 5 BRAO der Deckungsschutz in der Berufshaftpflicht für Veruntreuungen durch Sozien des Rechtsanwalts ausgeschlossen werden kann. Damit steht § 12 I Nr. 1 i.V.m. § 12 III AVB-A im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben des § 51 BRAO zum Umfang der Berufshaftpflichtversicherung des Rechtsanwalts.
Der BGH hat somit eine für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer offene Streitfrage zu § 12 I Nr. 1 i.V.m. § 12 III AVB-A geklärt. Die „Scheinsozienklausel“ ist wirksam.
BGH Urteil vom 21.07.2011 – IV ZR 43/10 –