Feuerversicherung

Von Ralf und Katharina Johannsen
Bruck / Möller / Johannsen, Versicherungsvertragsgesetz De Gruyter Rechtswissenschaften Verlags-GmbH, Berlin 2002, 8. Aufl., Bd. 3, XII und 994 S. ISBN: 3-89949-011-8
Wer bei auch nur halbwegs schwierigen Rechtsfragen das Werk der beiden Autoren nicht heranzieht, begeht einen Kunstfehler.
- Prof. Wolfgang Römer, Richter am BGH a. D., Ombudsmann für Versicherungen, Karlsruhe

Ralf Johannsen, Rechtsanwalt in Hamburg und Katharina Johannsen, ehemals Vorsitzende Richterin eines mit Versicherungssachen befassten Senats am OLG Hamburg, legen gemeinsam einen Band vor, der seit langem erwartet wurde. Der Umfang, die Stofffülle, die Sorgfalt und Gründlichkeit der Bearbeitung rechtfertigen die lange Wartezeit. Es ist erstaunlich, wie in einer Zeit, in der gerade hochqualifizierte Fachleute allenfalls die Zeit finden, sich mit Einzelproblemen etwas gründlicher zu befassen, diese beiden Autoren ein so arbeitsaufwändiges Werk mit einer in sich geschlossenen Gesamt konzeption haben bewältigen können. Schon dafür verdienen sie Anerkennung. Sicher haben Ralf Johannsen die Erfahrun gen aus früheren Kommentierungen, z. B. des vierten und fünften Bandes von Brück / Möller, der allgemeinen Haftpflicht versicherung sowie der Fahrzeug- und Kfz-Haftpflichtversicherung genutzt.

Karl Sieg hatte für den dritten Band der achten Auflage des „Brück / Möller“ die erste Teillieferung zur Feuerversicherung schon 1985 fertiggestellt. Sie umfasste mit 143 Seiten nur wenige Kapitel. Das ist ein gewisser Vorteil für die beiden Autoren, aber auch ein Handicap. Einerseits darf die Kommentierung eines so bedeutsamen Wissenschaftlers wie Karl Sieg nicht ohne weiteres zur Seite geschoben werden. Andererseits sind inzwischen schon wegen der Umsetzung der dritten EG-Richtlinien durch das Gesetz vom 21. 7. 1994 und die neuere Rechtsprechung erhebliche Änderungen eingetreten, die eine unveränderte Übernahme der Lieferung nicht duldeten. Der Verlag und die Autoren haben sich entschlossen, die Kom­mentierung von Karl Sieg im Wortlaut unverändert in den jetzt vorgelegten vollständigen dritten Band zu integrieren, aber durch zusätzliche Bemerkungen zu aktualisieren. Sie sind zur besseren Übersicht umrandet. Bei dieser an sich überzeugen den Lösung war nicht zu vermeiden, dass der Leser mit inzwischen Überflüssigem belastet wird. So liest man bei Sieg Interessantes zur Verwendung nicht genehmigter AVB. Dazu bemerken die Autoren Johannsen knapp und richtig, das Problem sei mit der gesetzlichen Aufhebung der Bedingungsgenehmigung weggefallen (Anm. A 22). Ähnlich liegt es bei den voran gegangenen Ausführungen (Anm. A 21) zu den geschäftsplan­mäßigen Erklärungen. Diese Brüche sind aber hinnehmbar, weil die Integration der Original-Kommentierung von Karl Sieg bei Abzug von 155 Seiten reinem Text der AVB nur 136 Seiten umfasst.

Ralf und Katharina Johannsen kommentieren die Feuerversicherung unter Einbezug der Allgemeinen Bedingungen der Wohngebäudeversicherung, der Gleitenden Neuwertversicherung, der Hausratversicherung soweit sie Brandfälle betreffen, der Feuer-Betriebsunterbrechungsversicherung und der sonstigen Feuer-Nebenversicherungen. Dabei ist das österreichische Recht mit zahlreichen Hinweisen auf die österreichische Rechtsprechung einbezogen. Die Rede von der Kommentierung zur Feuerversicherung darf nicht darüber hinwegtäu­schen, dass die Autoren neben deren Besonderheiten auch allgemeine Teile zum Versicherungsrecht ausführlich darlegen. So finden der Abschluss des Vertrags einschließlich der Pro­blematik der §§ 5 a VVG und 10 a VAG (Anm. D 20 bis 45), die Pflicht des VN zur Prämienzahlung (Anm. F), die Gefahrerhöhungen (Anm. G 24 bis 74) und vor allem die Obliegenheiten des VN (Anm. G) breiten Raum. Diese Kapitel sind zwar auf die Feuerversicherung ausgerichtet. Man liest sie aber auch bei der Bearbeitung anderer Fälle mit großem Gewinn, weil man von dem Kenntnisreichtum und dem Beurteilungsvermö gen der Autoren zum allgemeinen Versicherungsrecht profitiert. Das Kapitel „Herbeiführung des Versicherungsfalls, § 61 VVG“ (mit weiteren 47 Untergliederungen, Anm. H 47 ff.) behandelt neben den Grundlagen – wie objektive und subjektive Voraussetzungen – insbesondere grobe Fahrlässigkeit, Kausalität und Repräsentantenhaftung eine Fülle von Einzelfällen aus der Praxis mit Hinweisen auf die Rechtsprechung. Dem in der Feuerversicherung wichtigen Problemkreis der Beweisführung ist besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Allerdings scheint hier (vor Anm. H 73) wie auch generell zu § 61 VVG (Anm. H 48) der Hinweis auf die Kommentierung von Möller im zweiten Band für den mit der Materie nicht ganz so vertrauten Leser problematisch. Auch wenn man manches Grundsätzliche bei Möller findet, so ist diese Kommentierung von 1979 doch in einem Maß veraltet, dass sie nur sehr eingeschränkt verwendbar ist. Nach Eintritt des Versicherungsfalls kommt den Aufklärungs obliegenheiten des VN im Brandfall besondere Bedeutung zu, zumal Versicherer bei dem manchmal nicht unbegründeten Verdacht einer Eigenbrandstiftung, die aber nicht nachgewie sen werden kann, das für richtig gehaltene Ergebnis der Leistungsfreiheit durch Argumente zur Obliegenheitsverletzung zu erreichen suchen. Die Aufklärungs- und Auskunftsobliegenheiten bilden zu Recht einen Schwerpunkt innerhalb der Oblie genheiten (Anm. G 117 ff.). Mit Anm. G 131 (am Ende) sprechen sich die Autoren unter Hinweis auf BGH vom 5. 12. 2001 (VersR 2002, 173 = NJW 2002, 518) überzeugend für eine differenzierende Lösung aus in dem Fall, dass der VN falsche Angaben berichtigt. Mit 314 Seiten werden die Rechtspflichten des Feuerversicherers ausführlich behandelt (Anm. H). Schließlich ist noch besonders erwähnenswert die eingehende Darstellung des für die Feuerversicherung typischen Schutzes der Realgläubiger (§§ 1127 ff. BGB, 97 ff. VVG). Innerhalb dieses Kapitels widmen sich die Autoren mit den Anm. J 45 ff. ausführlich der „ungewöhnlichen gesetzgeberischen Konzeption“ des § 102 VVG. Ungewöhnlich ist die Konzeption in der Tat, die dazu führt, dass der Versicherer an den Hypotheken gläubiger leisten muss, auch wenn der VN den Brand selbst gelegt hat und der Versicherer deshalb nach § 61 VVG leistungsfrei ist. Noch ungewöhnlicher wird die Konzeption durch die Rangregelung des § 104 VVG, die Anlass gibt, da­rüber nachzudenken, ob es auch künftig bei einem solchen Schutz der Realgläubiger bleiben sollte. Ralf und Katharina Johannsen sehen in § 102 VVG einen eigenen unmittelbaren selbstständigen Anspruch des Realgläubigers nicht versicherungsrechtlicher Art. Es handele sich vielmehr um ein besonderes durch §§ 102, 103 VVG begründetes gesetzliches Schuldverhältnis (Anm. J 52). Die eingehende Begründung hierzu ist nachfolgend der Ausgangspunkt für die weitere Kom mentierung zur Entstehung und Fälligkeit, Umfang und Durch­setzung des Anspruchs (Anm. J 53 bis 55). Praxisnah werden danach die Fälle des § 103 VVG dargestellt. In ihren eigenen Stellungnahmen setzen sich die Autoren nicht nur mit anderen Meinungen im Schrifttum, sondern auch mit der Rechtsprechung kritisch auseinander. So findet die jüngere Rechtsprechung des BGH zum Schutz des Mieters vor Regressforderungen des Feuerversicherers bei fahrlässiger Brandstiftung nur zum Teil Gnade vor den Augen der Auto ren. Sie bevorzugen die ältere haftungsrechtliche Lösung, wenn sich der Mieter an der Prämienzahlung beteiligt hat, obwohl – wie auch Ralf und Katharina Johannsen erkennen – zwischen der offenen und versteckten Überwälzung der Prämie auf den Mieter nur schwer zu unterscheiden ist (Anm. J 110 f.). Die Autoren haben ein Werk vorgelegt, das Praxisnähe mit wissenschaftlicher Durchdringung in geglückter Weise verbin det. Es ist das zurzeit umfangreichste und fundierteste auf seinem Gebiet. Die Quellen sind ausgiebig erschlossen. War die Suche woanders vergeblich, so gibt es bei „Brück / Möller / Sieg / Johannsen“ immer noch eine Chance. Dabei kommen die Autoren dem Benutzer durch eine tiefe, zum Teil vor den Kapiteln noch einmal vertiefende Gliederung entgegen. Sie zeichnen – wo erforderlich – die Rechtsentwicklung kenntnis reich nach und führen den Leser so zu einem besseren Verständnis der neuesten Rechtslage. Die Zuverlässigkeit kann nicht genug betont werden. Auf praktische Hilfen und Hinweise wird nicht verzichtet. Wer bei auch nur halbwegs schwierigen Rechtsfragen das Werk der beiden Autoren nicht heranzieht, begeht einen Kunstfehler.

Prof. Wolfgang Römer, Richter am BGH a. D., Ombudsmann für Versicherungen, Karlsruhe