Tatbestand
Der Kläger ist Eigentümer eines Mehrfamilienhauses, das er Anfang des Jahres 2013 erwarb und das vordem bei der P. versichert war. Zum 02.01.2013 schloss er bei dem Beklagten eine verbundene Wohngebäudeversicherung ab. In der ersten Augustwoche platzte ein Wasserrohr, das zu einem Heizkessel führte, wodurch Leitungswasser in die darunter liegenden Räumlichkeiten drang. Der Beklagte ließ durch das Sachverständigenbüro S. feststellen, dass das geplatzte Wasserrohr korrodiert war, weil darauf Wasser tropfte, das aus einer ihrerseits korrodierten und geplatzten Vorlaufleitung der Heiztherme ausgetreten war.
Der Beklagte verweigerte die Regulierung des Schadens mit der Begründung, dass die durch die Leckage an der Vorlaufleitung der Heiztherme verursachte Korrosion der Anschlussleitung nicht innerhalb weniger Tage entstanden sein könne, sondern dies ein Vorgang sei, der sich über mehrere Monate hinweg entwickele. Dem Sachverständigenbüro zufolge sei daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass das schadensverursachende Ereignis schon vor dem Versicherungsbeginn beim Beklagten liege. Mit dem Einwand, der Schaden sei nicht in bei ihr versicherter Zeit entstanden, lehnte auch die P., an die der Beklagte den Kläger verwiesen hatte, die Regulierung ab.
Der Kläger macht geltend, für die Beurteilung des Eintritts des Versicherungsfalls könne nicht im Sinne der «Theorie des ersten Tropfens» auf den Zeitpunkt der ersten Ursache abgestellt werden. Für die Deckungspflicht komme es auf den Zeitpunkt der Kenntnis des Versicherungsnehmers vom Schadenseintritt an. Daher spiele es keine Rolle, wann ein Wasserschaden begonnen habe, sondern maßgeblich sei, zu welchem Zeitpunkt sich (aus Sicht des Versicherungsnehmers) der tatsächliche Schadenseintritt ereignet habe.
Gründe des OLG Schleswig
Der Kläger habe einen Anspruch auf Regulierung des Leitungswasserschadens gegen den Beklagten, so das OLG Schleswig. Das vom Landgericht für richtig erachtete Ergebnis, dass der Versicherungsnehmer bei einem Wechsel des Gebäudeversicherers weder vom aktuellen noch von dem früheren Versicherer Ersatz für einen Leitungswasserschaden verlangen kann, wenn sich nicht feststellen lässt, wann der Wasserschaden seinen konkreten Anfang in Gestalt erstmals auslaufenden Leitungswassers genommen hat, sei unbefriedigend.
Entsprechend legt das OLG Schleswig die Klauseln über Leitungswasserschäden dahin aus, dass der Versicherer für alle Leitungswasserschäden haftet, die innerhalb der Vertragslaufzeit erkennbar werden, auch wenn die Ursachen für die Schäden – für den Versicherungsnehmer nicht erkennbar – schon vor Vertragsbeginn gesetzt worden sind. Gerade Wasserschäden könnten oftmals einen langen Vorlauf haben. Da sich häufig nicht zuverlässig feststellen lasse, wann genau ein Schadensfall im Sinne eines ersten Tropfens oder eines ersten dadurch ausgelösten minimalen Folgeschadens ausgelöst worden ist, werde ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer erwarten, dass solche Deckungslücken, die durch den Wechsel des Gebäudeversicherers entstehen können, nicht legitim sind. Somit dürfe er erwarten, dass der Gebäudeversicherer für einen unstreitig erst in versicherter Zeit zutage getretenen Leitungswasserschaden einstandspflichtig sei, auch wenn die Ursachen für den Schaden – für den Versicherungsnehmer nicht erkennbar – schon vor Vertragsbeginn gesetzt worden sind.
OLG Schleswig Urteil vom 19.02.2015 – 16 U 99/14
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