In einer aktuellen Entscheidung hat das OLG Koblenz bestätigt, dass die Nichtbeantwortung der Frage nach weiteren bestehenden Unfallversicherungsverträgen in der Schadensanzeige zu einem vollständigen Verlust der Ansprüche führt.
Im konkreten Fall hatte die Versicherungsnehmerin einen Unfall gemeldet. Sowohl in der Schadensanzeige gegenüber dem beklagten Unfallversicherer als auch in der am selben Tag verfassten Schadensanzeige an einen anderen Unfallversicherer ließ sie die Frage nach weiteren Unfallversicherungen unbeantwortet. Gut drei Wochen später füllte sie eine weitere Schadensanzeige für einen Unfallversicherer aus und ließ auch dort die Frage nach weiteren Unfallversicherungen offen.
Nachdem der beklagte Unfallversicherer die Erbringung weiterer Leistungen wegen Verletzung der Aufklärungsobliegenheit verweigert hatte, machte die Versicherungsnehmerin im Prozess geltend, dass die Frage unbeantwortet gewesen sei, habe der Versicherer ohne Weiteres sehen müssen. Er wäre dann angesichts der offensichtlich unvollständigen Angaben verpflichtet gewesen, bei der Versicherungsnehmerin Nachfrage zu halten.
Diese Argumentation blieb ohne Erfolg. Das OLG Koblenz hat unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH VersR 1982, 182) klargestellt, dass das Offenlassen der Frage nach dem Bestehen weiterer Unfallversicherungen ein Verschweigen darstellt. Der Versicherer müsse sich darauf verlassen können, dass der Versicherungsnehmer von sich aus richtige und lückenlose Angaben über den Versicherungsfall macht. Wird dieses Vertrauen durch den Versicherungsnehmer enttäuscht, indem er vorsätzlich Fragen nicht oder nicht richtig beantwortet, so kann er nicht geltend machen, dass sich der Versicherer die erforderlichen Informationen hätte beschaffen können. Im Rahmen der Aufklärungspflicht soll der Versicherungsnehmer zur Abgabe von vollständigen und richtigen Angaben angehalten werden. Dies würde in das Gegenteil verkehrt, gar in ein Recht zur Lüge verwandelt werden, wenn der Versicherungsnehmer die vorsätzliche Verletzung seiner Pflicht damit rechtfertigen könnte, dass der Versicherer in der Lage gewesen sei, die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben zu durchschauen. In einem Fall vorsätzlichen Handelns des Versicherungsnehmers gebe es auch keinen Anlass, dem Versicherer nach Treu und Glauben die Berufung auf seine eingetretene Leistungsfreiheit zu versagen.
Da durch das Verschweigen des weiteren Unfallversicherers der beklagte Unfallversicherer keinen Zugang zu den Unterlagen des Mitversicherers hatte und ihm daher wichtige Unterlagen für die Beurteilung seiner Leistungspflicht fehlten, war die Falschbeantwortung auch nicht folgenlos. In Unkenntnis der weiteren Versicherungsverträge hatte der beklagte Unfallversicherung nämlich ohne Einholung eigener Sachverständigengutachten an die Versicherungsnehmerin Leistungen erbracht.
OLG Koblenz, Beschluss vom 12.04.2016 – 10 U 778/15
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RA Arno Schubach
Fachanwalt für Versicherungsrecht