Der Bundesgerichtshof hat in einem ersten Urteil zum Leistungskürzungsrecht des Versicherers bei grober Fahrlässigkeit klargestellt, dass eine Kürzung auf Null grundsätzlich mit dem Gesetz vereinbar ist.
In dem Fall ging es um eine Trunkenheitsfahrt. Auf der Rückfahrt von einem Rockkonzert kam der Kläger mit seinem PKW von der Fahrbahn ab und prallte gegen einen Laternenpfahl, wodurch am Fahrzeug ein erheblicher Schaden entstand. Eine beim Kläger durchgeführte Blutentnahme ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,70 Promille. Der Versicherer verweigerte jede Leistung.
Mit Urteil vom 22.6.2011 hat der für das Versicherungsrecht zuständige IV. Zivilsenat des BGH entschieden, dass ein Leistungskürzungsrecht des Versicherers nach § 81 Abs. 2 VVG wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles ausscheidet, wenn der Versicherungsnehmer unzurechnungsfähig war. Dies kam hier für den Zeitpunkt des Unfalls wegen der hohen Blutalkoholkonzentration des Klägers in Betracht. Sollte eine Unzurechnungsfähigkeit des Klägers im Zeitpunkt des Unfalls vorgelegen haben, so kann der Vorwurf der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles allerdings auch an ein zeitlich früheres Verhalten anknüpfen. Das ist der Fall, wenn der Versicherungsnehmer vor Trinkbeginn oder in einem Zeitpunkt, als er noch schuldfähig war, erkannt oder grob fahrlässig nicht erkannt hat, dass er im Zustand der Unzurechnungsfähigkeit einen Versicherungsfall herbeiführen wird.
Sollte nach den Feststellungen von einer grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles auszugehen sein, so ist der Versicherer nach § 81 Abs. 2 VVG berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen. In der Rechtsprechung der Instanzgerichte und im juristischen Schrifttum ist streitig, ob die Neuregelung dem Versicherer die Möglichkeit eröffnet, seine Leistung gänzlich zu versagen oder ob in jedem Fall eine zumindest anteilige Quote des Schadens zu ersetzen ist. Der Bundesgerichtshof hat nunmehr entschieden, dass der Versicherer bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den Versicherungsnehmer in Ausnahmefällen die Leistung vollständig versagen darf, sog. Kürzung auf Null. Das kann bei absoluter Fahruntüchtigkeit in Betracht kommen, bedarf aber immer der Abwägung der Umstände des Einzelfalles.
Urteil vom 22. Juni 2011 – IV ZR 225/10