Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche wegen eines Verkehrsunfalls geltend. Der Kläger hat behauptet, er habe am 25. November 2016 an einer Ampel wegen Rotlicht halten müssen, wobei offenbar aus Unachtsamkeit ein Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen M. auf seinen PKW aufgefahren sei. Ein Fahrzeug mit einem solchen Kennzeichen war damals bei der Beklagten haftpflichtversichert. Eine polizeiliche Unfallaufnahme fand ebenso wenig statt wie eine Dokumentation des Unfalls durch Fotos. Der Unfallgegner, der sich als „Herr B.“ vorstellte, nannte dem Kläger lediglich eine Telefonnummer und eine Anschrift. Die Beklagte hat den vom Kläger geschilderten Unfallhergang, insbesondere eine Beteiligung des bei ihr versicherten Fahrzeugs an dem Unfallgeschehen, mit Nichtwissen bestritten, weil ihr eine überprüfbare Schadensmeldung nicht vorliege. Die Klage wurde daraufhin abgewiesen, der BGH hat das nicht beanstandet.
Das Bestehen eines Direktanspruchs des Klägers gegen die Beklagte nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 122, 95 Abs. 1 VVG ist zu verneinen, weil der Kläger die Anspruchsvoraussetzungen nicht nachweisen konnte. Die Unfallbeteiligung eines bei der Beklagten nach § 1 PflVG haftpflichtversicherten Kraftfahrzeuges ist notwendige Voraussetzung für den gegen die Beklagte geltend gemachten Direktanspruch. Nur in diesem Fall kann sich hier ein etwaiger Schadensersatzanspruch des Klägers nach §§ 7, 17, 18 StVG oder § 823 BGB gegen einen Versicherungsnehmer der Beklagten oder gegen einen Mitversicherten richten, wie es § 115 Abs. 1 VVG erfordert.
Die behauptete Unfallbeteiligung des bei der Beklagten haftpflichtversicherten Kraftfahrzeugs ist beweisbedürftig. Die Beklagte durfte sich zu dieser Behauptung gemäß § 138 Abs. 4 ZPO mit Nichtwissen erklären, so dass sie nicht nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt.
Nach § 138 Abs. 4 ZPO ist eine Erklärung mit Nichtwissen – also die Einlassung, die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Behauptungen des Gegners nicht zu kennen – nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind; bei einer juristischen Person kommt es insoweit auf ihre Organe an. Eine Erklärung mit Nichtwissen ist auch außerhalb des Bereichs der eigenen Handlungen und eigenen Wahrnehmung der Partei unzulässig, wenn und soweit eine Informationspflicht der Partei hinsichtlich der vom Gegner behaupteten Tatsachen besteht. Die Partei trifft eine solche Erkundigungspflicht, sofern die maßgebenden Tatsachen Personen bekannt sind, die unter ihrer Anleitung, Aufsicht oder Verantwortung tätig geworden sind.
Die Anforderungen an die Erkundigungspflicht dürfen allerdings nicht überspannt werden. Einer Partei darf nur eine zumutbare Informationspflicht auferlegt werden. Auch bei Bestehen einer Informationspflicht ist eine Erklärung mit Nichtwissen zulässig, wenn sich für die Partei nach Einholen der Erkundigungen bei den maßgeblichen Personen keine weiteren Erkenntnisse ergeben oder die Partei nicht beurteilen kann, welche von mehreren unterschiedlichen Darstellungen über den Geschehensablauf der Wahrheit entspricht, und sie das Ergebnis ihrer Erkundigungen in den Prozess einführt. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann es dem im Wege des Direktanspruchs nach § 115 VVG Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG in Anspruch genommenen Haftpflichtversicherer nicht schon deshalb verwehrt werden, die Unfalldarstellung des Geschädigten mit Nichtwissen zu bestreiten, weil und soweit der Versicherungsnehmer selbst an einer entsprechenden Einlassung gehindert ist.
BGH Urt. v. 23.7.2019 – VI ZR 337/18
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Oliver Meixner
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