Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs ist ein Autohändler verpflichtet, bei der Bestellung und Ausgabe von Ersatzschlüsseln die Legitimität der Schlüsselanforderungen und die Glaubwürdigkeit des Schlüsselverlusts zu überprüfen. Dies gilt auch, wenn der Anforderer ein sogenannter NORA-Kunde ist (ein Kunde, der nicht an die Organisation gebunden ist, aber Rabatte auf Originalteile erhält). Die Klägerin, eine Versicherungsgesellschaft, verklagt den beklagten Autohändler auf Erstattung von Versicherungsleistungen für gestohlene Fahrzeuge. Vier dieser Fahrzeuge wurden in den Jahren 2015 und 2016 gestohlen, wobei die Diebe echte Ersatzschlüssel benutzten, die vom Beklagten bestellt und an ein Unternehmen in Litauen weitergegeben wurden. Es wurde keine weitere Überprüfung der Berechtigung des Anforderers durchgeführt, insbesondere wurde nicht überprüft, ob der Anforderer auch der Besitzer des jeweiligen Fahrzeugs ist. Die Klägerin behauptet, dass die Schlüssel von den Dieben von dem litauischen Unternehmen erworben wurden, was ihnen ermöglichte, die Fahrzeuge problemlos zu öffnen und zu stehlen.
Das Berufungsgerichts hatte der Klägerin einen Anspruch auf Schadenersatz gemäß § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 86 VVG zugesprochen. Die Diebstähle könne der Beklagten zugeschrieben werden, wobei nicht die Beschaffung und Weiterleitung der Ersatzschlüssel entscheidend sei, sondern das Versäumnis, die Legitimität des Käufers zu überprüfen. Da die Beklagte die Möglichkeit habe, Ersatzschlüssel zu beschaffen, ergibt sich daraus eine erhöhte Verantwortung. Die Weitergabe der Schlüssel an das litauische Unternehmen steht zumindest im Sinne einer Mitursache in kausalem Zusammenhang mit den nachfolgenden Diebstählen.
Der BGH folgte dieser Argumentation. Es sei in der Rechtsprechung konsequent festgelegt, dass jeder, der eine Gefahrensituation jeglicher Art schafft, grundsätzlich verpflichtet ist, notwendige und angemessene Vorkehrungen zu treffen, um Schäden für andere zu verhindern. Während Verpflichtungen zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit zur eigenen Entlastung delegiert werden können, kann dies nur geschehen, wenn die Delegationsmethoden nachvollziehbar sind und den gleichen Schutzzweck erfüllen wie die ursprünglich vorgesehene Methode. Es sei offensichtlich, dass ein Missbrauchsrisiko bestehe, wenn mit den Schlüssel so umgegangen werde, wie vom Berfungsgericht festgestellt.
BGH, Urteil vom 28.03.2023 – VI ZR 19/22
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