Über das Vermögen der VN einer Verkehrshaftungsversicherung war im September 2012 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der Kläger meldete eine (Haftpflicht-)Forderung zur Tabelle an, die der Insolvenzverwalter in voller Höhe feststellte. Er überließ dem Kläger die Geltendmachung des Deckungsanspruchs der VN gegen die Beklagte. Im April 2018, während der Anhängigkeit des Rechtsstreits, wurde das Insolvenzverfahren nach vollzogener Schlussverteilung aufgehoben.
Der BGH hat einen Anpruch des Klägers verneint. Einen solchen Anspruch gegen die Beklagte könne der Kläger nicht auf die Feststellung einer Forderung zur Tabelle stützen, denn die Beklagte sei durch die Feststellung des Haftpflichtanspruchs zur Tabelle nicht gebunden.
Nach dem Versicherungsvertragsgesetz 2008 unterliege das vom Versicherungsnehmer gegenüber dem Geschädigten erklärte Anerkenntnis zwar gemäß § 105 VVG keinen bedingungsgemäßen Einschränkungen mehr, es bleibe aber grundsätzlich ohne Einfluss auf das Deckungsverhältnis. Verspricht der Versicherungsnehmer dem Geschädigten mehr als diesem zusteht, gehe der Mehrbetrag zu Lasten des Versicherungsnehmers. Nach dem Regelungsplan des neuen Rechts müsse der Versicherer die Möglichkeit haben, die Berechtigung des vom Geschädigten geltend gemachten Anspruchs zu prüfen. Wird das Anerkenntnis ohne Zustimmung des Versicherers abgegeben, komme ihm bindende Wirkung im Sinne von § 106 Satz 1 VVG deshalb regelmäßig nur in dem Umfang zu, in welchem eine Haftpflichtschuld des Versicherungsnehmers nach materieller Rechtslage tatsächlich besteht.
Das gelte auch dann, wenn das Anerkenntnis durch widerspruchslose Feststellung des Haftpflichtanspruchs zur Tabelle erfolgt sei. Es käme einer nicht gerechtfertigten Privilegierung des Geschädigten im Insolvenzfall gleich, wollte man dem Insolvenzverwalter die Befugnis einräumen, den Versicherer zu Gunsten des Geschädigten zu belasten.
Auch aus der Rechtskraftwirkung der Eintragung in die Tabelle ergebe sich nichts Anderes. Die Eintragung in die Tabelle wirke für die festgestellten Forderungen ihrem Betrag und ihrem Rang nach wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern (§178 Abs. 3 InsO). Nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens könnten die Insolvenzgläubiger, deren Forderungen festgestellt und nicht vom Schuldner im Prüfungstermin bestritten worden sind, aus der Eintragung in die Tabelle wie aus einem vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben (§ 201 Abs. 2 Satz 1 InsO). Diese Vorschriften sähen keine Erstreckung der Rechtskraftwirkung auf Dritte vor. Sie bewirkten deshalb keine Bindung im Sinne von § 106 Satz 1 VVG zulasten des Haftpflichtversicherers des Schuldners.
Eine Bindung des Haftpflichtversicherers in analoger Anwendung von §§ 178 Abs. 3, 201 Abs. 2 Satz 1 InsO komme nicht in Betracht, weil es jedenfalls an einer vergleichbaren Interessenlage fehle. Die aus dem Trennungsprinzip der Haftpflichtversicherung folgende, in § 106 Satz 1 VVG vorausgesetzte Bindung des Versicherers folge nicht aus einer Rechtskraftwirkung, wie sie §§ 178 Abs. 3, 201 Abs. 2 Satz 1 InsO vorsehen. Die Bindungswirkung sei vielmehr dem Leistungsversprechen zu entnehmen, das der Haftpflichtversicherer dem Versicherungsnehmer im Versicherungsvertrag gegeben hat. Danach übernehme der Versicherer in Fällen der vorliegenden Art keine Deckungspflicht, ohne dass er die Möglichkeit hat, die Berechtigung des von dem Geschädigten gegen den Versicherungsnehmer geltend gemachten Anspruchs zu prüfen. Fehlt es an einer solchen Prüfungsmöglichkeit, scheide dann – auch mit Blick auf Art. 103 Abs. 1 GG – eine Bindung des Versicherers ohne seine Zustimmung aus.
BGH, Urteil vom 10.03.2021 – IV ZR 309/19
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