Bereits in der Vergangenheit waren beim Bundesgerichtshof (BGH) mehrere Verfahren zur Erstattung von Aufwendungen für LASIK-Operationen anhängig, die jedoch durch Anerkenntnis oder außergerichtliche Regulierung zur Erledigung gebracht wurden (vgl. Kessal-Wulf, Die neuere Rechtsprechung des BGH zum Versicherungsrecht – Unfallversicherung und Krankenversicherung, r+s 2010, 353). Nunmehr hatte der BGH in seinem Urteil vom 29.03.2017 – IV ZR 533/15 Gelegenheit klarzustellen, ob und unter welchen Voraussetzungen die privaten Krankenversicherung für diese Form der Behandlung in der privaten Krankenversicherung eintrittspflichtig sein kann.
Konkret ging es um eine Versicherte, bei der eine Fehlsichtigkeit auf beiden Augen (-3 Dioptrien und -2,75 Dioptrien) vorlag. Ist dies als Krankheit im Sinne der Versicherungsbedingungen (§ 1 Abs. 2 MB/KK) zu qualifizieren, so besteht eine Leistungspflicht des Krankenversicherers zur Erstattung der Kosten auch für eine LASIK-Operation, wenn die weiteren Leistungsvoraussetzungen vorliegen. Insbesondere muss für diese Art der Behandlung im konkreten Fall eine medizinisch Notwendigkeit festzustellen sein.
Im vom BGH entschiedenen Fall hatte die Versicherte mit ihrer Klage in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt, weil dort bereits das Vorliegen einer Krankheit verneint worden war. Diese Beurteilung stützte sich auf die Aussagen des vom Gericht beauftragten medizinischen Sachverständigen, dass 30 – 40 % der Menschen im mittleren Alter kurzsichtig sind und von einer pathologischen Myopie nach internationalem Standard erst ab -6 Dioptrien gesprochen werden könne. Es fehle deshalb an einer Krankheit im Sinne der Bedingungen, weil diese voraussetze, dass eine Abweichung vom natürlichen körperlichen Zustand der versicherten Person vorliege, die nicht dem normalen Entwicklungs- oder Alterungsprozess entspreche. Zudem waren die Vorgerichte der Meinung gewesen, der Versicherten sei das Tragen einer Brille möglich und zumutbar gewesen.
Der BGH hat grundsätzlich klargestellt, dass es hinsichtlich des Begriffs „Krankheit“ nicht auf das Verständnis in medizinischen Fachkreisen ankommt, sondern auf das Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers. Dieser geht davon aus, dass die normale Sehfähigkeit ein beschwerdefreies Lesen und eine gefahrenfreie Teilnahme am Straßenverkehr umfasst, so dass jede hiervon abweichende, mehr als nur geringfügige Beeinträchtigung eine Krankheit im Sinne von § 1 Abs. 2 MB/KK darstellt. Insoweit hatte auch der gerichtliche Sachverständige die Korrekturbedürftigkeit der vorliegenden Kurzsichtigkeit der Versicherten bejaht, also grundsätzlich die Notwendigkeit einer Behandlung.
Ob die durchgeführte LASIK-Operation im konkreten Fall medizinisch notwendig war, konnte der BGH nicht abschließend beurteilen. Er hat deshalb den Rechtsstreit an die Vorinstanz zur weiteren Prüfung zurückverweisen. Dabei hat er klargestellt, dass die medizinische Notwendigkeit der LASIK-Operation nicht bereits verneint werden kann mit der Begründung, die Fehlsichtigkeit könne in üblicher Weise durch das Tragen einer Brille oder von Kontaktlinsen korrigiert werden. Brillen und Kontaktlinsen sind nur Hilfsmittel, mit denen körperliche Defekte über einen längeren Zeitraum ausgeglichen werden, ohne die Fehlsichtigkeit selbst zu beseitigen. Den Versicherungsbedingungen kann der Versicherungsnehmer nicht entnehmen, dass die Erstattungsfähigkeit der Kosten einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung davon abhängen soll, ob er auf Dauer ein Hilfsmittel nutzen kann, das zwar die Folgen des bestehenden anormalen Körperzustandes ganz oder teilweise ausgleicht, aber am eigentlichen Leiden nichts ändert.
BGH, Urteil vom 29.03.2017 – IV ZR 533/15
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Fachanwalt für Versicherungsrecht